Vita

Matthias Hollefreund

Eine GESCHICHTE:

Es gab eine Phase in Matthias Hollefreunds Malerei, da war über Jahre alles silbern – silberne Räume, silberne Figuren, silberne Flächen. Wenn man die Bilder sieht und Matthias Hollefreund erzählen hört, war dies eine Zeit der Selbstkasteiung, eine Zeit der Suche, die Zeit, als er in einem „Eisraum“ arbeitete. Er selbst sagt dazu auch „Verpuppung“ – das ist: sich einspinnen und eingesponnen sein.

Wir können einige Aspekte von Matthias Hollefreunds Arbeitsweise immer noch erkennen, die damals virulent waren: die Bereitschaft zum kompromisslosen Selbstversuch, die Bereitschaft zur Provokation. Aber auch damals blieb die menschliche Figur als Maß der Dinge erhalten. Auf den Menschen bezog sich diese Kunst immer. Das verlor Matthias Hollefreund nie.

Im Laufe der zurückliegenden Jahre ist Matthias Hollefreund auf gewisse Weise milder mit sich geworden. Die Farben durften nach und nach wiederkehren und sich seine Leinwände zurückerobern. Erst vorsichtig – manche seiner Arbeiten haben noch heute dieses leichte, schwebende Wesen, manchmal, als seien sie noch nicht fertig. Aber das sind nun auch diese Feste für das Auge, das Schwelgen in einer Farbe wie Rot. Manche seiner Bilder drohen unter der Last der Farbigkeit auseinander zu brechen.

Eine KUNST:

Ich will hier einige weitere Merkmale seiner Kunst benennen, die mir wichtig sind und die mich seine Kunst schätzen lassen:
Eines zieht sich durch seine Bilder – das ist seine malerische Qualität. Man mag denken über seine Bilder, was man will. Wenn man Matthias Hollefreunds Können betrachtet: Hut ab, das ist gekonnt.

Da ist zum einen sein scharfer Blick, seine Beobachtungsgabe für das Menschliche in unserer Haltung, in dem wie wir uns zeigen. Er ist in der Lage, mit seinem Pinsel die Vielschichtigkeit einer Person aufzuzeigen.

Die Delikatesse, mit der er ein Stillleben ins Leben holt, mit der er eine Frauenfigur zeigt und doch verhüllt – das ist einfach kunstvoll.

Aber auch dem Literaten bietet Matthias Hollefreund Stoff zur Beobachtung und zum Genuss, wenn er ein literarisches Thema in seinen Bildern entrollt und dessen Facetten mit Pinsel und Farbe zur Entdeckung frei gibt.

In seinen Bildern hat die Schönheit einen Platz – den Platz, der ihr gebührt. Viele Bilder sind einfach erst mal ein Genuss für das Auge.

Und trotzdem: die Provokation, von der ich schon berichtete, sie treibt immer wieder ihr „Unwesen“ in Matthias Hollefreunds Bildern. So werden wir gefoppt, wenn wir es uns zu einfach machen, uns zurücklehnen und sagen: „Ach, wie schön.“

Eine SERIE:

Wir finden bei vielen Malern, dass sie sich mit einem Sujet auseinander setzen, es immer wieder malen. Vielleicht ein Kopf, der immer wieder porträtiert wird. Auch Matthias Hollefreund arbeitet immer wieder auf diese Weise. Aber was entsteht, ist mehr ein Gesamtbild, nicht viele gleiche oder ähnliche Einzelbilder – nein mehr eine Serie, eine Folge, eine Entwicklung.

Hier kann man dann einzelne Bilder von ganz außerordentlicher Schönheit finden. Ist es den Verkauf schädigend, wenn ich folgendes behaupte:

wollte man eines herausnehmen, es würde etwas fehlen: die Gesamtgestalt der Serie hätte einen Teil verloren – aber das eine Bild hätte ebenso seine Einbettung verloren.

Doch formuliere ich es einfach andersherum: Das einzelne Bild gewinnt aus der Verkettung. Es nimmt einen Teil seiner Geschichte mit als pars pro toto! Es ist sichtbar mehr als das Dargestellte. Es bezieht einen Teil seiner Schönheit aus der Reihe, der es entstammt – so wie man Teil einer Familie ist, die in einem fortwirkt und einen Teil der eigenen Ausstrahlung macht, ohne dass diese Familie selbst anwesend sein muss!

Ein MALER:

Matthias Hollefreund ist Berliner – auch wenn er in Thüringen geboren ist. In seinen Bildern schmeckt man aber einen Geist, der nicht berlinerisch ist. Da leuchtet ein mediterranes Licht hindurch. Und wirklich: Matthias Hollefreund ist bekennender Bewunderer der venezianischen Malerei (Tizian, Tiepolo), deren Umgang mit Licht und Schatten bestechend ist. Auch die französische Maler Cezanne und Lautrec finden in Matthias Hollefreund einen Liebhaber. Frankreichs große Literaten, wie Proust, Flaubert, Baudelaire, Rimbaud stoßen immer wieder Zyklen von Bildern an. Frankreichs Süden, dessen helles, leuchtendes Licht jeden gefangen nimmt, ist eine inspirierende Quelle für Matthias Hollefreunds Malerei.

Der Blick ins Atelier ist faszinierend, da hier ein starker Kontrast von Chaos und Ordnung aufscheint:

Am Arbeitsplatz liegen Paletten mit unzähligen leuchtenden Farbmischungen – ein leuchtendes Chaos aus Farbklecksen, Pinseln, Tüchern, Farbtuben. Aber an der Wand entsteht ein Bild. Farben, die auf den Paletten noch in völligem Durcheinander erscheinen, kommen miteinander in Beziehung. Es entstehen Räume, Formen, Tiefen, Oberflächen – es entsteht ein Kunstwerk. Das ist manchmal bezaubernd, manchmal auch ein wenig wie Zauberei.

In diesen Arbeiten zeigt sich, was Susan Sontag einmal schrieb:

Kunst muss verführen aber nicht vergewaltigen.

– Friedrich Kampmann, 2006

Lebenslauf

1947

Geboren in Gera (Thüringen)

1967

Abitur in Bad Säckingen (Schwarzwald)

1969-71

Studium an der Akademie der bildenden Künste Stuttgart

1971-74

Studium an der Hochschule der Künste Berlin, Meisterschüler

1977-87

Silberperiode “Vereisungen”, Arbeit am Eisraum (Environment)

1981

Bau der Großplastik “Time-Line” im Skulpturengarten am Messegelände (Berlin)

1982

Arbeitsstipendium der Stadt Berlin, Beginn der Mitarbeit im Atelier von Fred Thieler

1983
  1. “Eisraum”
seit 1987

Ende der “Vereisungen”, Beginn des Versuches über eine “neue klassische Figur” (the real dream of a new classic figure)

1994

Manifest des Illusionismus

1995

Gründung eines Salons über Kunst und Philosophie in Berlin

seit 2010

Hinwendung zum “Neobarock”

2013

Gründung der “Teltower Terasse”

2015

Verstorben in Berlin

Austellungen (Auswahl)

1970

Kunstverein Hochrhein

1972/73/81/82

„Große Münchner Kunstausstellung“
Deutscher Künstlerbund Düsseldorf

1975

Berliner Maler in Brasilien

1981

Konkrete Malerei, Berlinische Galerie
„Collage“ Kunstamt Wedding
Charlottenburger Kunstpreis

1982

Deutscher Künstlerbund, Berlin

1984

„7 Positionen“ Haus am Waldsee, Berlin
„1984“ Neuer Berliner Kunstverein
Galerie Mora, Berlin

1987

Deutscher Künstlerbund, Bremen
Ankauf durch die Bundesregierung
Galerie Giesler, Berlin

1989

„Berlin heute“ Fotographische Sammlung, Berlin
ART Nürnberg

1990

“Die Szene”, Berlinische Galerie

1993

Vereinigungsausstellung der Berliner Akademien

1997

Kunstverein Hochrhein, Bad Säckingen

2000

Shakespeare Company, Bremen

2001

Deutsches Haus, Sanaa, Yemen

2006

Galerie Bobparsley, Berlin

2008

Galerie Moser, Osnabrück

2013

“Karneval der Penner”, Petruskirche Berlin

Matthias Hollefreund

Manifest des Illusionismus

  1. Mit seinem entschiedenem Wechsel von der Sinnlichkeit zur Sensibilität hatte Cézanne den Wertewechsel der Moderne eingeleitet.
  2. Dieser Wechsel barg eine erwünschte Perspektive für das Bürgertum, denn er bedeutete die Zügelung der ungeordneten Sinnlichkeit in das Joch arbeitsamer Alltäglichkeit.


    Aus Genie wurde Geduld
  3. Der Kult der Empfindsamkeit förderte das Wachsen des didaktischen Anspruchs auf Seiten der Künstler.


    Aus Verführung wurde Belehrung
  4. Daher rufen wir alle Maler zur Rückkehr in eine ungeordnete Sinnlichkeit auf. Malt wieder verführerische Bilder und gebraucht die Illusionismen der Malerei: Stofflichkeit, Räumlichkeit, das Abbild.
  5. Sinnlichkeit ist das zeitlose Thema der Malerei, Illusionismus das Mittel der Verführung und Verführung das einzige Ziel aller künstlerischen Bemühungen.
  6. Eine moralische Wirkung ist nur auf dem Wege der Verführung zu erzielen, denn vom Belehren lernt man nur Belehren.
  7. Wenn also das Mittel die Botschaft sein soll, so heißt unsere Botschaft: Keine Angst vor dem Illusionismus! Er ist die transzendentale Möglichkeit der Malerei.



Der Illusionismus ist die Kunst des 21. Jahrhunderts

Berlin, im Oktober 1994 ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​ ​Matthias Hollefreund